Franziska Kelle
Der Verfassungsfeind als Häretiker
Es gehört zu den selbstverständlich gewordenen Prämissen des säkularen Verfassungsstaates, dass das Recht vom Glauben unabhängig ist. Doch bleibt diese Division wirklich ohne Rest?
Einem Bürger, dessen religiöses oder weltanschauliches Verständnis die Prämissen des Verfassungsstaates selbst verneint, begegnet die säkulare Rechtsbefolgungserwartung und die Selbstbehauptung des säkularen Verfassungsstaates als eine Antithese. Spiegelt sich in dieser Antithese, so sehr der säkulare Verfassungsstaat sie auch für unabhängig vom Glauben seiner Bürger erklärt, nicht doch unausweichlich so etwas wie ein Wahrheitsanspruch? Kann die Selbstbehauptung des Verfassungsstaates vernünftig sein, wenn zugleich die Unwahrheit seiner Bestreitung dahinsteht?
Wenn die Selbstbehauptung des Verfassungsstaates aber die Unwahrheit seiner Bestreitung voraussetzt, dann trifft ihne seine Bestreitung geradezu als eine Häresie - und es erscheint ihm der Verfassungsfeind als Häretiker.
Hallesche Schriften zum Öffentlichen Recht | Band 10
2. Auflage 2010
broschierte Ausgabe, 76 Seiten
ISBN 978-3-86977-011-6
— vergriffen —