Hubert Treiber | Die „rückwärtsgewandte Expertenreform“
Hubert Treiber | Die „rückwärtsgewandte Expertenreform“

Hubert Treiber

Die „rückwärtsgewandte Expertenreform“

Eine verwaltungswissenschaftliche Studie zur Großen Strafrechtsreform der 1950er Jahre

Die verwaltungs­wissen­schaft­liche Studie erklärt die Rück­wärts­gewandt­heit der Großen Straf­rechts­kom­mis­sion der 1950er Jahre – unter Heran­ziehung von rechts­wissen­schaft­lichen Studien – anhand von Inter­views mit Kom­mis­sions­mit­glie­dern, vor allem aber anhand von Cluster­ana­lysen zu den Abstim­mun­gen über „Grund­satz­fragen“, zu „Versuch und Irrtum“ sowie zum „Sexual­straf­recht“. Die Cluster­ana­lysen zeigen, wie die Prak­tiker in der Kom­mis­sion Mehr­heiten über die Theo­retiker (Hoch­schul­lehrer), die oft­mals ein indi­vidu­elles Abstim­mungs­ver­halten zeigten, her­gestellt haben. Mit den Inter­views wird deut­lich, dass für die Orien­tie­rung an den Ent­würfen der Weimarer Zeit (E 27, E 30) vor allem der dama­lige Staats­sekretär W. Strauß sowie der Abtei­lungs­leiter II des BMJ, J. Schafheutle, verant­wort­lich sind, was sich zudem durch eine interne satirische Zeitung („Bier­zeitung“) absichern lässt. Für die Rück­wärts­gewandt­heit spricht auch die vom BMJ vorge­gebene Zusam­menset­zung der Kom­mission, welche die Imple­menta­tions­struktur des Rechts wider­spiegelt, so dass die Rechts­an­wender zu Gesetz­gebern werden. Die Praktiker haben nicht nur Mehr­heiten zustande gebracht, die relativ stark vertre­tenen Richter der oberen Gerichte (BGH) zeichnen sich auch verant­wort­lich für eine Orien­tierung an höchst­richter­licher Recht­sprechung, an Richter­recht über­haupt, das, wie Rüthers gezeigt hat, in Zeiten des System­wechsels Hoch­kon­junktur hat und die Rechts­an­wender dadurch bereits zu Gesetz­gebern macht. Eine Auswer­tung von Lauda­tiones und Nekro­logen, welche die Gene­ration ver­fasste, der die meisten Kom­mis­sions­mit­glieder ange­hörten, zeigt, dass diese Würdi­gun­gen zur Image­pflege einge­setzt wurden, welche die „Zeit der Ver­strickung“ vergessen ließ. Im Anhang wieder­gege­bene Doku­mente zeigen, dass die Initia­tive zur Erstellung eines Alter­nativ-Entwurfs von dem damals in Mainz lehrenden Straf­rechts­lehrer Prof. Peter Noll ausging.


Leseprobe

Einzeltitel
1. Auflage 2021
broschiert, 169 Seiten
ISBN 978-3-86977-244-8

24,80 €

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