Rechtsanwaltskammer Tübingen (Hg.) | Von der Nachkriegsordnung bis zur E-Justice
Rechtsanwaltskammer Tübingen (Hg.) | Von der Nachkriegsordnung bis zur E-Justice

Rechtsanwaltskammer Tübingen (Hg.)

Von der Nachkriegsordnung bis zur E-Justice

75 Jahre Rechtsanwaltskammer Tübingen

INHALT

Vorwort
      Albrecht Luther

Grußwort
      Marion Gentges

Grußwort
      Ulrich Wessels

Grußwort
Ein Jubiläum als Zäsur – von der Digitalisierung des Rechtsstaats
      Cornelia Horz

Grußwort
      Boris Palmer

Der Beitrag der Rechtsanwaltschaft und der Rechtsanwaltskammern zur Sicherung des Rechtsstaats
      Winfried Kluth

Souverän und selbstbewusst
Die Anfänge der Rechtsanwaltskammer Tübingen
      Hans-Joachim Lang

Ansprache anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel Uhlandstraße 15 am 12.12.2011
      Christoph Geprägs

Ein Wendepunkt in der westdeutschen Justizgeschichte
Die Hinrichtung des Raubmörders Richard Schuh am 18. Februar 1949 in Tübingen und die Verwendung seiner Leiche für zweifelhafte wissenschaftliche Zwecke
      Hans-Joachim Lang

Die Sozietätswechslerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
      Ekkehart Schäfer

75 Jahre Kammervorstand – Ein Streifzug –
      Markus Schellhorn

ANHANG

Rechtsanwaltskammer Tübingen:
Präsidenten 1946 bis heute

Rechtsanwaltskammer Tübingen:
Vorstandsmitglieder 1946 bis heute (alphabetisch)

Rechtsanwaltskammer Tübingen:
Präsidenten und Vorstand 1946 bis heute

Mitgliederstatistik

Autorinnen und Autoren

 

 

VORWORT

von Albrecht Luther

Erst mit der am 1.10.1879 in Kraft getretenen Rechts­anwalts­ordnung (RAO) wurde im damaligen Deutschen Reich ein einheit­liches Anwalts­recht kodifiziert, das die Freiheit der Advokatur gesetzlich gewähr­leistete. Jeder, der die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, muss in dem betref­fenden Bundes­staat als Anwalt zugelassen werden. Zugleich wurde damit auch der Grund­stein für die anwaltliche Selbst­verwal­tung gelegt, da alle innerhalb des Bezirks eines Ober­landes­gerichts zugelas­senen Rechts­anwälte eine eigene Anwalts­kammer bilden, einen eigenen Vorstand wählen und damit der Aufsicht durch diese Anwalts­kammer unterliegen.

Warum die Rechtsanwaltskammer Tübingen hingegen erst seit 11. Dezember 1946 besteht, hat der Journalist und Kultur­wissen­schaftler Hans-Joachim Lang in seinem Beitrag „Die Anfänge der Rechts­anwalts­kammer Tübingen“ heraus­gearbeitet. Er schildert darin die außer­gewöhn­lichen politischen Umstände im Nach­kriegs­deutvschland, die zur Gründung der Rechts­anwalts­kammer Tübingen geführt haben.

In seinem Aufsatz über die Bedeutung und den Beitrag der Rechtsan­walt­schaft und der Recht­sanwalts­kammern zur Sicherung der Rechts­staat­lichkeit spannt Winfried Kluth den Bogen von den Anfängen der ersten rechts­staat­lichen Entwick­lungen bis hin zu der aktuellen Rolle der in den Rechts­an­walts­kammern verfassten Anwalt­schaft. Er setzt sich dabei mit einer Vielzahl aktueller höchst­richter­licher Entschei­dungen ausein­ander und beleuchtet den Einfluss europa­recht­licher Einflüsse auf das anwalt­liche Berufsrecht, das sich zuneh­mender Angriffe auf die Unabhän­gigkeit der Anwaltschaft und ihre „core values“, wie dem Verbot des Erfolgs­honorars, dem Fremd­besitz­verbot und der anwalt­lichen Verschwiegen­heits­verpflich­tung ausgesetzt sieht.

Die Zeit von 1933–1945, in der gleichsam über Nacht der Rechts­staat und eine freie unab­hängige Advokatur abge­schafft waren, spiegelt sich in der abge­druckten bewe­genden Ansprache wider, die Christoph Geprägs über das Schicksal der jüdischen Tübinger Rechts­anwalts­kollegen anlässlich der Enthüllung einer entsprech­enden Gedenktafel gehalten hat.

Auch die von Hans-Joachim Lang vorge­nom­mene histo­rische Auf­ar­beitung der letzten in Deutschland vor der Teilung voll­streckten Todes­strafe am 18. Februar 1949, also kurz vor Inkraft­treten des Grund­gesetzes, gehört in den Kontext der Justiz­geschichte in Tübingen auch aus anwalt­licher Sicht. So ergibt sich aus den von Lang gesich­teten Proto­kollen, dass ein Urkunds­beamter der Geschäfts­stelle des Land­gerichts hinzu­gezogen wurde für den Fall, dass der Delin­quent einen Wieder­auf­nahme­antrag stellen sollte. Aus­weislich des Proto­kolls ist dies offen­sichtlich nicht geschehen. So fragt man sich: Wo war an diesem Tag und zu dieser Stunde sein Verteidiger?

Schließlich berichtet Ekkehart Schäfer, ehemaliger langjähriger Präsident der RAK Tübingen und zuletzt Präsident der Bundes­rechts­anwalts­kammer bis 2018 über einen bis vor dem Bundes­verfas­sungs­gericht ausge­tragenen Rechts­streit der RAK Tübingen. Der Rechts­streit befasste sich mit dem Verbot wider­strei­tender Interessen im Falle eines Sozietäts­wechslers.

Markus Schellhorn, amtierender Vizepräsident der RAK Tübingen und mit fast 30 Dienst­jahren ältester Vorstand unserer Kammer, hat einen mit teils humo­ristischen, teils skurrilen Anek­doten unter­legten Streifzug durch die Zeit der Kammer von 1949 an bis heute gefertigt. Als Quellen konnte er sich hierbei nicht nur auf die teils dürftigen Proto­kolle stützen, sondern auch auf eigene Erfah­rungen und die Aussagen früherer Mitglieder des Vorstands, der seit 1949 durchgängig mit Ange­hörigen seiner Familie besetzt war.

Dem von ihm zitierten Schlusswort ist eigentlich nichts hinzu­zufügen. Sowohl für eine freie, unab­hängige Anwalt­schaft, die ver­schwiegen und loyal hinter ihren Man­danten steht, als auch für den Rechts­staat ist die anwalt­liche Selbst­ver­waltung unver­zichtbar. Ich hoffe, dass auch spätere Genera­tionen sich dieses Privilegs bewusst sind.

Albrecht Luther
Rechtsanwalt und Präsident
der Rechtsanwaltskammer Tübingen


Leseprobe

Miscellaneen | Einzeltitel
1. Auflage 2022
gebundene Ausgabe im Schutzumschlag, 208 Seiten
ISBN 978-3-86977-246-2

40,00 €

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