Carolin Rheinert / Stephan Zierz (Hg.)
Wenn die Muskeln steif werden
Adolph Seeligmüller und seine Beiträge zur Myotonia congenita und zur Hereditären Spastischen Spinalparalyse im Kontext der Neurologie des 19. Jahrhunderts
Vorwort
Adolph Seeligmüller war außerordentlicher Professor für Nervenheilkunde an der Vereinigten Friedrichs-Universität (heute Martin-Luther-Universität) Halle-Wittenberg und leitete einige Jahre die Poliklinik für Nervenkrankheiten an der Universität.
Gelegentlich wird Seeligmüller in der Literatur als Erstbeschreiber der Myotonia congenita sowie der Hereditären Spastischen Spinalparalyse (HSP), bezeichnet (Eulner & Glatzel, 1958; Kreuter, 1996; Ropper, 2009). Bereits 1887 veröffentlichte er in einem seiner Lehrbücher die erste Abbildung für das erst später als Babinski-Zeichen bezeichnete Phänomen (Brigo & Lorusso, 2021). Dabei handelt es sich um ein Pyramidenbahnzeichen, das eine Schädigung des zentralen Motoneurons im Unterschied zum peripheren Motoneuron anzeigt.
Seeligmüller publizierte über 70 Arbeiten, hauptsächlich auf dem Gebiet der Neurologie, und verfasste zwei Lehrbücher für Neurologie. Zu dieser Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, entsprach das zweite Lehrbuch (1886/1887) schon weitgehend der heutigen nosologischen neurologischen Klassifikation. Eine Besonderheit dieses Buches war es, dass nicht nur neurologische Erkrankungen besprochen wurden, sondern auch die Neuroanatomie als Grundlage der Neuropathologie dargestellt wurde. Seeligmüller sah sein Buch nicht nur als Lehrbuch für Studierende. Es sollte auch ärztlichen Kollegen nützen, denen ähnlich wie ihm selbst zu ihrer Studienzeit wenig von den neuroanatomischen Grundlagen vermittelt wurde.
Trotz seiner Verdienste in der Neurologie ist Seeligmüller heute nur wenig bekannt. Das vorliegende Buch widmet sich deshalb Seeligmüllers Biographie und seinem umfangreichen Publikationsverzeichnis, das bisher kaum in der Forschung gewürdigt wurde. Im Zuge dessen werden sein Anteil und seine Rolle bei der Beschreibung der beiden oben genannten Erkrankungen, der Myotonia congenita und der Hereditären spastischen Spinalparalyse (HSP), genauer analysiert und im Kontext der Beschreibungen seiner Zeitgenossen Julius Thomsen, Wilhelm Erb und Adolf Strümpell erläutert. Dabei verstehen wir dieses Buch als „shandean“1, da es nicht nur auf Seeligmüller und die beiden genannten Erkrankungen Bezug nimmt, sondern auch „abschweift“ hin zu anderen bedeutenden Neurologen des 19. Jahrhunderts und ihren für die heutige Neurologie noch relevanten Erkenntnissen und zumeist nicht allgemein bekannten Fakten der Geschichte der Neurologie. Um es mit Tristam Shandys Worten auszudrücken: Das „Werk schweift ab und kommt doch vorwärts – und zwar zu gleicher Zeit“
Carolin Rheinert und Stephan Zierz
Einzeltitel
1. Auflage 2025
gebunden im Schutzumschlag, 192 Seiten
ISBN 978-3-86977-283-7
93,00 €