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RP Reha 1/2017
Schwerpunkt
STUDIEREN mit Behinderung oder chronischer Erkrankung
E D I T O R I A L
Hochschulen spielen im gesellschaftlichen Leben eine immense Rolle. Immer mehr Menschen studieren. Waren im früheren Bundesgebiet im Wintersemester 1964/65 noch 305.000 Studierende eingeschrieben, stieg die Zahl bundesweit im Wintersemester 1994/95 auf 1,87 Mio. und nochmals auf ca. 2,7 Mio. im Wintersemester 2014/15 (destatis, Datenreport 2016, S. 90). Hochschulen und Hochschullandschaft sind aus weiteren Gründen mit großen Herausforderungen konfrontiert. Seit den 2000er Jahren bemühen sich die Hochschulen um einen einheitlichen europäischen Hochschulraum. Die damit verbundene Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ist nur ein Teil des sogenannten Bologna-Prozesses. Als Institutionen der Wissenschaft und Forschung sind Hochschulen nicht nur Impulsgeber. Sie müssen in Forschung und Lehre selbst mit der sehr dynamischen Entwickelung Schritt halten. Hochschulen sind zugleich Arbeitgeber. Im Jahr 2014 waren ca. 675.000 Menschen an deutschen Hochschulen beschäftigt (destatis, S. 92), ca. 35 Prozent mehr als 10 Jahre zuvor. Die Ausdifferenzierungen im Personalbereich durch Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung verlangen den Hochschulen zusätzliche und anspruchsvolle Anpassungen ab. Das mehrfach verankerte Recht auf gleichberechtigte Teilhabe behinderter und chronisch kranker Menschen an Hochschulbildung – dazu grundlegend der Beitrag von Felix Welti und Diana Ramm – trifft in dieser dynamischen und sehr vielschichtigen Gemengelage auf besondere Bedingungen. Die Hochschulen in Deutschland waren angesichts traditionell stark segregierter Bildungswege keine Lebensräume, in denen Barrieren für beeinträchtigte Studierende aufmerksam gesucht und zügig beseitigt wurden. Zwar sind in den letzten Jahren, insbesondere infolge der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz sowie seit Inkrafttreten der UN-BRK wichtige Fortschritte erzielt worden, wie Christiane Schindler in ihrem Beitrag beschreibt. Gleichwohl bleiben für die einzelnen Studierenden oft ganz elementare Probleme, ihr Recht auf ein gleichberechtigtes Studium bzw. eine gleichberechtigte Promotion zu verwirklichen. Oft fehlt es schon an der Kenntnis über bestehende Rechte, wie Andreas Weber anhand einer Datenerhebung in diesem Heft für die Gruppe hörbeeinträchtigter Studierender belegt. Das von Christfried Rausch und Timo Kirmse geschilderte Fallbeispiel soll zeigen, dass auch bei grundsätzlicher Sachkenntnis Lösungen oft nicht einfach zu finden sind. Wichtig und unverzichtbar sind universitäre Beratungsstrukturen und Unterstützungsangebote, durch Ressourcen unterstützte Selbsthilfe sowie institutionell verankerte und gelebte Verantwortung im universitären Management. Im Interview mit Mechthild Klostermann werden viele Fragen zum universitären Disability-Management aus der praktischen Perspektive beantwortet. Die Bereitschaft der Hochschulen, sich ihrer Inklusionsverantvwortung zu stellen, ist deutlich zu sehen. Vieles ist schon auf den Weg gebracht. Nicht alles wird allein von der Finanzierbarkeit abhängen. Barrieren lassen sich häufig schon durch veränderte Einstellungen, die Bereitschaft zur behinderungsgerechten Organisation von Lehr- und Prüfungsabläufen sowie durch sensible Planungen vermeiden. Nicht unwesentlich sind allerdings auch die finanziellen und personellen Ressourcen. So müssen z.B. Übergänge im Lebensverlauf in die Hochschulen und von dort in die Arbeitswelt gemanagt und begleitet werden. Dies gilt ganz besonders für behinderte Menschen. Der Tagungsbericht von Alice Dillbahner gibt anschauliche Anregungen. Viele Menschen erhofften sich gerade durch die jüngst umgesetzten Reformen im Gleichstellungs- und Teilhaberecht eine deutlichere Verpflichtung zu Vernetzungen und Kooperationen zwischen Sozialleistungsträgern und Hochschulen, wie auch Andreas Kammerbauer in seinem Interview schildert. Dabei müssen neben den Sozialhilfeträgern künftig auch die Rentenversicherung und vor allem die Bundesagentur stärker in die Pflicht genommen werden. Katja Nebe und Cindy Schimank weisen hierauf mit ihrer Urteilsanmerkung hin. Das Potential der Hochschulen in der Wissensgesellschaft muss behinderten Menschen gleichermaßen offen stehen. Ein ernst genommenes gleichberechtigtes Teilhaberecht muss die Barrieren auch auf dem Weg zu höheren akademischen Abschlussen beseitigen. Das von Jana Bauer, Susanne Groth und Mathilde Niehaus beschriebene PROMI-Projekt zeigt Wege zur Promotion mit Behinderung auf. Mit einem Bericht vom 23. Weltkongress von Rehabilitation International (RI) von Astrid Kempe, Eva Nachtschatt, Diana Ramm und Cindy Schimank sowie weiteren Informationen in der Infothek wollen wir auch dieses Heft abrunden. Wir wünschen eine anregende Lekture und freuen uns auf Ihre Kritik.
Katja Nebe
Felix Welti
I N H A L T
Sozialpolitik und Rehabilitation
Christiane Schindler
INKLUSIVE HOCHSCHULE: EINE MOMENTAUFNAHME
Felix Welti/Diana Ramm
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE ÜBERGÄNGE BEHINDERTER MENSCHEN, INSBESONDERE ZUR HOCHSCHULE
Rechtsprechung
Katja Nebe/Cindy Schimank
VERANTWORTUNG DER BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT BEI DER HOCHSCHULBILDUNG
Anmerkung zu BSG v. 24.02.2016, Az.: B 8 SO 18/14 R sowie zu BSG v. 20.04.2016, Az.: B 8 SO 20/14 R
RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT
Praxis der Rehabilitation
Christfried Rausch/Timo Kirmse
WER BEZAHLT DOLMETSCHER FÜR GEHÖRLOSE STUDIERENDE?
Ein typisches Fallbeispiel
Cindy Schimank
INKLUSIV STUDIEREN UND BERATEN IN BREMEN
Mechthild Klostermann im Interview
Forschung und Praxis
Jana Bauer/Susanne Groth/Mathilde Niehaus
PROMOVIEREN MIT BEHINDERUNG
Rahmenbedingungen an deutschen Hochschulen im Fokus
Andreas Weber
GESETZESKENNTNIS BEI STUDIERENDEN MIT HÖRBEHINDERUNG
Ergebnisse aus der GINKO-Studie
Alice Dillbahner
INKLUSIVE HOCHSCHULEN IN HESSEN
Tagungsbericht zur Fachtagung „Übergänge im Lebenslauf mit Behinderungen: Hochschulzugang und Berufszugang mit Behinderung“ am 8. Juni 2016
Andreas Weber
11 FRAGEN AN: Andreas Kammerbauer
Internationales
Eva Nachtschatt/Diana Ramm/Astrid Kempe/Cindy Schimank
"WORLD CONGRESS ON REHABILITATION“
Tagungsbericht
Infothek
AKTUELLES AUS DER PRAXIS DER REHABILITATION
AUS DEM DISKUSSIONSFORUM „REHABILITATIONS- UND TEILHABERECHT“
VERANSTALTUNGEN
NEUERSCHEINUNGEN UND LITERATUREMPFEHLUNGEN
RP Reha | Ausgabe 1/2017
68 Seiten
ISSN 2366-7877
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