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RP Reha 3/2018
Schwerpunkt
Versorgungsmedizin-Verordnung und Schwerbehindertenrecht
E D I T O R I A L
Das Bio-Psycho-Soziale Krankheitsmodell und die darauf gründende Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) finden zunehmend Eingang in die Deutsche Sozialgesetzgebung sowie in untergesetzliche Normen. Mit der ICF erhält die bereits etablierte Klassifikation der Krankheiten (ICD) eine Ergänzung zur Beschreibung der Funktionsfähigkeit eines Menschen und der darauf einwirkenden Kontextfaktoren. Schwerpunktmäßig nimmt dieses Heft Bezug auf die Nutzung der individuellen Kontextfaktoren zur Beschreibung einer Behinderung und den daraus resultierenden Sozialleistungen.
Thomas Ewert und Petra Nölp stellen die Grundzüge der ICF dar und gehen der Frage nach deren Bezug zum Bundesteilhabegesetz, der Versorgungsmedizinverordnung sowie der Rehabilitationsrichtlinie nach. Durch das Bundesteilhabegesetz habe die Bedeutung der ICF für die Ermittlung von Behandlungs- und Interventionszielen sowie für die Feststellung der Versorgungsbedarfe in der Deutschen Sozialgesetzgebung deutlich zugenommen. Politische Institutionen im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik beziehen sich bereits in Teilen auf das Bio-Psycho-Soziale Modell und die Klassifikation der ICF, sie verweisen sogar direkt darauf und übernehmen zunehmend deren Begrifflichkeiten.
Die individuelle Situation eines Menschen mit Behinderung wird u.a. durch die umwelt- und personbezogenen Kontextfaktoren beschrieben, die die Auswirkungen eines Gesundheitsproblems modulieren. Elisabeth Nüchtern legt deren Bedeutung für die Wahl geeigneter Interventionen und Empfehlungen bei Fragestellungen der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung dar.
Die Nutzung der ICF ist nach Auffassung von Wolfgang Seger auch in der Versorgungsmedizin möglich. Bislang nehme die Versorgungsmedizin-Verordnung überwiegend Bezug auf Schädigungen und lasse in der GdS-Tabelle einen Teilhabebezug kaum sichtbar werden. Da hohe Anteile einer Behinderung oft durch Kontextfaktoren beeinflusst werden, sollten diese individuell erfasst und dargestellt werden. Pauschalen Bezügen auf eine „Standardumwelt“ erteilt Seger eine Absage. Die Nutzung des Bio-Psycho-Sozialen Modells der ICF müsse zur Steigerung der Akzeptanz bei behinderten Menschen in einer überarbeiteten GdS-Tabelle transparent und nachvollziehbar abbildbar sein.
Im Kontext des Schwerbehindertenrechts beschreibt Matthias Schmidt-Ohlemann den Nutzen der ICF und die Bedeutung der individuellen Kontextfaktoren bei der Erfassung der Art und Schwere einer Behinderung. Aus einer abstrakten Standardumwelt lasse sich der tatsächlich bestehende Unterstützungsbedarf von Personen mit einer schweren Mehrfachbehinderung nicht ausreichend ableiten. Erst die konkreten Kontextfaktoren ermöglichen die Entscheidung, inwieweit eine funktionale Einschränkung sich behindernd auf Aktivitäten und auf die Teilhabe auswirken. Anhand von Beispielen wird deutlich, wie schwierig eine objektive und verlässliche Messung der Schwere von Beeinträchtigungen ist, wenn individuelle Kontextfaktoren nicht einbezogen werden, insbesondere wenn es um Unterstützungsbedarfe geht. Schmidt-Ohlemann fordert eine Entscheidung darüber, ob es trotz dieser Erkenntnis bei der bisherigen Praxis der kontextunabhängigen abstrakten Bewertung von Schwerbehinderung verbleiben soll.
Die historische Entwicklung des Begriffes der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die daraus abgeleiteten Bewertungsgrundlagen werden von Klaus-Dieter Thomann, Dierk F. Hollo und Marcus Schiltenwolf kritisch hinterfragt. Die Autoren regen eine Aktualisierung der MdE-Tabellenwerte auf einer validen empirischen Grundlage unter Einbezug eindeutiger und konsentierter medizinischer Referenzgrößen sowie aktueller arbeitsmarktpolitischer und soziologischer Erkenntnisse an.
Jörg Barlsen und Ralf Kreikebohm widmen sich in ihrem Beitrag neuen Herausforderungen der beruflichen Rehabilitation. Einen besonderen Schwerpunkt sehen sie in der Ermöglichung niederschwelliger und passgenauer Zugangsmöglichkeiten mit Überwindung sektorial begrenzter Zuständigkeiten und flexibler Verzahnung der Leistungen sowie einer konsequenten Umsetzung des der ICF zugrunde liegenden Bio-Psycho-Sozialen Modells.
Auch in der vorliegenden Ausgabe sollen weitere, über den Themenschwerpunkt hinausgehende Rechtsprechung und Nachrichten zum Rehabilitationsgeschehen nicht zu kurz kommen. In einer Entscheidungsanmerkung befasst sich Diana Haas damit, ob die Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für einen behinderten Menschen die drohende Arbeitslosigkeit des behinderten Menschen voraussetzt. Das Gericht befasste sich zugleich mit der Frage, wann eine berufliche Neuorientierung behinderungsbedingt erforderlich ist.
Wolfgang Seger
Matthias Schmidt-Ohlemann
I N H A L T
Sozialpolitik und Rehabilitation
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und ihre Verankerung in der deutschen Sozialgesetzgebung
Die Bedeutung von Kontextfaktoren in der sozialmedizinischen Begutachtung
Kritische Überlegungen zur Nutzung der ICF in der Versorgungsmedizin
Rechtsprechung
Förderung beruflicher Weiterbildung behinderter Menschen ohne drohende Arbeitslosigkeit
Anmerkung zum Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. November 2016 (Az.: L 18 AL 19/16)
Rechtsprechungsübersicht
Praxis der Rehabilitation
Hilfebedarf von Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen im Kontext des Schwerbehindertenrechts
Aus Forschung und Praxis
Die Angleichung von GdS/GdB und MdE – eine realistische Perspektive?
Bewertung gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Sozialen Entschädigungsrecht, im Schwerbehindertenrecht und in der Gesetzlichen Unfallversicherung
Neue Herausforderungen für die berufliche Rehabilitation
Infothek
Aktuelles aus der Praxis der Rehabilitation
Aus dem Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht
Veranstaltungen
Neuerscheinungen und Literaturempfehlungen
Beitag von Thomas Ewert und Petra Nölp inkl. Literaturverzeichnis | PDF
RP Reha | Ausgabe 3/2018
68 Seiten
ISSN 2366-7877
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