RP Reha 4/2021
Schwerpunkt
Selbstbestimmt mittels Budgetleistungen
E D I T O R I A L
Liebe Leserinnen und Leser,
in den wenigen Monaten zwischen Erscheinen dieser Ausgabe der RP Reha und dem vorherigen Heft liegen für Gesellschaft, Politik und Recht weichenstellende Ereignisse: im September die Wahl zum Bundestag und nun der Abschluss der Koalitionsverhandlungen für eine neue Bundesregierung, die nach 16 Jahren zumindest mit ihren politischen Farben für ein deutliches neues Spektrum steht. Das kurz vor Redaktionsschluss öffentlich gewordene Regierungsprogramm der künftigen „Ampel-Koalition“ titelt „Mehr Fortschritt wagen“ und nährt die Erwartungen an die Pläne für die Weiterentwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts.
In der letzten Heftvorschau hatten wir unter dem Titel „Selbstbestimmt mittels Budgetleistungen“ Beiträge zu den verschiedenen Budgetleistungen im Teilhaberecht, namentlich zum Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung sowie zum Persönlichen Budget und zu diesbezüglichen Reformbedarfen für die nächste Legislatur angekündigt. Unser Heft-Programm musste vor Bekanntwerden des Koalitionsprogramms stehen. Heute können wir zumindest aus der Analyse des Koalitionsvertrages sehen, dass wir inhaltlich mit unseren Heft-Beiträgen auf der Höhe der Zeit sind. So ist auf S. 79 im Koalitionsvertrag angekündigt, dass „Barrieren für die Etablierung und Nutzung des Persönlichen Budgets und Einschränkungen des Wunsch- und Wahlrechts abgebaut werden [sollen].“
Aufschluss darüber, wo Hindernisse für die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets liegen, gibt der Bericht von Marcus Rietz. Er hat Fragestellungen aus der Praxis zum Persönlichen Budget zusammengestellt, die aus seiner Sicht mitursächlich sein können für die niedrige Inanspruchnahme. Angelika Thielicke vertieft die Hemmnisfaktoren und zeigt vor allem anhand der Leistungen zur sozialen Teilhabe sowie zur Teilhabe am Arbeitsleben konkret auf, was sie von Leistungsträgern und Gesetzgeber hierzu erwartet. Aus Perspektive der Leistungsträger kommt Dirk Lewandrowski zu Wort. Im Interview erläutert er für den Landschaftsverband Rheinland, welche Anforderungen an Verwaltung und Leistungsberechtigte in der konkreten Bewilligung und Durchführung eines Persönliche Budgets gestellt sind und welche Vorteile sich letztlich für alle Beteiligten ergeben.
Bei der Entscheidung über Teilhabeleistungen werden Menschen mit Behinderungen häufig durch ihr soziales Umfeld unterstützt. Fragen des Teilhaberechts stellen sich daher auch im Kontext des Familienrechts, z.B. wenn es um Mitentscheidungsrechte von Sorgeverantwortlichen geht. Das auch in der UN-Kinderrechtekonvention verankerte und weitreichende Recht auf Partizipation zugunsten von Kindern und Jugendlichen verlangt eine interdisziplinäre Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsbereichen. Belinda Weiland untersucht, wie sich der Grundsatz der Partizipation für die Leistungen zur Teilhabe zugunsten von Kindern und Jugendlichen im Lichte des elterlichen Sorgerechts gewährleisten lässt und nimmt dazu die Ausbildungs- und Berufswahl in den Blick. Das Zusammenspiel von Sozial- und Familienrecht beleuchtet auch Katja Nebe anlässlich der berichteten Praxis, dass Sozialleistungsträgern Assistenzleistungen nicht selten mit Verweis auf familiäre Beistandspflichten nach § 1618a BGB zurückweisen.
Begrifflich vergleichbar, aber in der rechtlichen Einordnung doch deutlich zu unterscheiden vom Persönlichen Budget sind andere sogenannte Budgets, das Budget für Arbeit und das Budget für Ausbildung. Beide sind in der letzten Legislatur als Regelleistungen gesetzlich eingeführt geworden. Lea Mattern, Tonia Rambausek-Haß und Gudrun Wansing zeigen in ihrem Beitrag erste empirische Ergebnisse zu ihrer tatsächlichen Wirksamkeit auf und folgern klare Empfehlungen für Verwaltung und Gesetzgeber.
Katja Nebe
I N H A L T
Sozialpolitik und Rehabilitation
Das Budget für Arbeit: Ausgewählte Ergebnisse einer qualitativ-explorativen Studie in Berlin
Rraxis der Rehabilitation
Das persönliche Budget beim Landschaftsverband Rheinland (LVR)
Aktuelle Fragestellungen zum persönlichen Budget als Leistungsform der Eingliederungshilfe
Aus Forschung und Praxis
Partizipative Berufsorientierung für junge Menschen mit Behinderung aus familienrechtlicher Sicht
Rechtsprechung
Familiäre Beistandspflichten – Einfallstor für Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen und deren Familien statt Angehörigenentlastung
Rechtsprechungsübersicht
Infothek
Aktuelles aus der Praxis der Rehabilitation
Aus dem Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht
Veranstaltungen
Neuerscheinungen und Literaturempfehlungen
RP Reha | Ausgabe 4/2021
60 Seiten
ISSN 2366-7877
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