Fachzeitschrift RP-Reha | Ausgabe 4/2023 – Schwerpunkt: Teilhabeforschung und Teilhabeberichterstattung
Fachzeitschrift RP-Reha | Ausgabe 4/2023 – Schwerpunkt: Teilhabeforschung und Teilhabeberichterstattung

RP Reha 4/2023

Schwerpunkt

Teilhabeforschung und Teilhabeberichterstattung

E D I T O R I A L

Liebe Leserinnen und Leser,

mit der Teilhabeforschung profiliert sich ein neues Forschungs­feld. Teil­habe­for­schung bün­delt die viel­fäl­tigen wissen­schaft­lichen Bemüh­ungen, die Teilhabe als Anker­punkt setzen, um Behinde­rung in ihrer recht­lichen, kultu­rellen und sozialen Dimension zu erforschen. Die deutsch­sprachige Forschung zum kom­plexen Phäno­men der Beein­träch­tigung und Behin­derung hat sich über die Jahre stark aus­diffe­ren­ziert und umfasst mitt­lerweile unter­schied­liche Disziplinen und Fach­gebiete. Für das Feld der Reha­bili­tation ist die Teil­habe­forschung deshalb von Bedeutung, weil sie sich zum einen mit dem in Recht und Praxis der Reha­bili­tation normativ wichtigen Begriff der Teil­habe aus­ein­ander­setzt. Zum anderen kann das System der Reha­bili­tation selbst ein wichtiger Promotor der Teil­habe­for­schung sein, wenn es darum geht, das Wissen um wirk­same Leis­tun­gen zur Teil­habe­förde­rung von Menschen mit Behinde­rungen zu erweitern.

Teilhabeforschung zielt darauf, der Auseinan­der­set­zung mit Fragen der Teilhabe das not­wendige wissen­schaft­liche Funda­ment zu geben. Ein solches Funda­ment braucht den leben­digen Diskurs zum Begriff der Teilhabe, und es braucht verläss­liche Daten zum Stand der Teilhabe und ihrer Ent­wicklung. Deutsch­land hat sich mit Unter­zeich­nung der UN-Behin­derten­rechts­kon­vention dazu ver­pflichtet, geeignete Informa­tionen, einschließlich statis­tischer Angaben und Forschungs­daten, zu sammeln, die es ermög­lichen, politische Konzepte zur Durch­führung des Überein­kommens aus­zuar­beiten und umzu­setzen. Insbe­sondere die Teilhabe­berichte der Bundes­regierung über die Lebensl­agen von Menschen mit Beein­träch­tigungen legen jedoch offen, dass bislang in vielen Lebens­bereichen und zu unter­schied­lichen Personen­gruppen fundiertes Wissen über Teilhabe­chancen und Risiken der Diskrimi­nierung und Aus­gren­zung fehlen.

Mit der „Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinde­rungen“ ist der Versuch unter­nommen, zumindest einige der Forschungs­lücken zu schließen. Insbeson­dere für die Politik soll die Repräsen­tativ­befra­gung im Zusam­men­spiel mit dem Teil­habe­bericht zukünftig ein „social moni­toring“ ermög­lichen und Hinweise auf beson­dere Problem­lagen sowie Handlungs­not­wendig­keiten geben. Auch Erfolge im Sinne verbes­serter Lebens­lagen und Teilhabe­möglich­keiten können durch die als Panel­studie angelegte Reprä­sen­tativ­efra­gung sichtbar werden. Der Daten­schatz der Reprä­sen­tativ­befra­gung ist jedoch noch längst nicht gehoben. Eine konse­quente Verschrän­kung mit der Teilhabe­berich­ter­stat­tung ist erst mit dem nächsten, vierten Teilhabe­bericht der Bundes­regierung zu erwarten. Außer dem 2022 erschienenen Abschluss­bericht liegen so gut wie keine weiteren Aus­wer­tungen der Daten der Reprä­sen­tativ­befra­gung vor, schon gar nicht solche, die spezielle Fragen der Teilhabe, einzelne Lebens­bereiche, Lebens­phasen oder Personen­gruppen vertiefend in den Blick nehmen. Erstaunlich ist, dass die Reprä­sen­tativ­befra­gung in den Wissen­schaften und in der Fach­praxis der Reha­bili­tation bislang kaum rezipiert wird.

Vor diesem Hintergrund ist es Ansinnen des vorlie­genden Heftes, die Teilhabe­forschung in Bezug zu setzen zur Teilhabe­bericht­erstat­tung als Grund­lage für eine wissens­basierte Sozial­politik und Fach­praxis der Reha­bili­tation und Teilhabe. In diesen Kontext wird auch die „Reprä­sen­tativ­befra­gung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ gesetzt, auf die sich vier Beiträge dieses Heftes beziehen. Ange­reichert durch Beiträge zu weiteren Studien und Initia­tiven der Teilhabe­forschung wird die Dynamik des Forschungs­feldes deutlich, zugleich ihr Potenzial für die Reha­bilitation.

Im ersten Beitrag stellen Annette Tabbara und Michael Maschke die Bedeutung einer menschen­rechts­basierten Teil­habe­for­schung und Teil­habe­bericht­erstattung für den politischen Raum heraus. Sebastian Link und Jacob Steinwede skizzieren das Forschungs­design der „Reprä­sen­tativ­befra­gung zur Teilhabe von Menschen mit Behinde­rungen“ und geben mit der Analyse des gesell­schaft­lichen Zuge­hörig­keits­gefühls ein Anwen­dungs­beispiel. Auch Ingmar Steinhart bezieht sich u.a. auf die Reprä­sen­tativ­befra­gung und nimmt die Teil­habe­situation von Menschen mit psych­ischen Erkran­kungen in den Blick. Welche Ergebnisse zur Teilhabe am Arbeits­leben die Reprä­sen­tativ­befra­gung hervor­bringt und wie diese im Abgleich mit bisherigen Daten­quellen einzu­ordnen sind, ist Gegen­stand des Beitrags von Angela Rauch. Janine Lange präsentiert das Projekt „Teilhabe­forschung: Inklusion wirksam gestalten“ des Paritätischen Gesamt­verbands, das auf Auswer­tungen des Sozio-oekono­mischen Panels (SOEP) basiert. Friedrich Dieckmann und Mathilde Niehaus stellen das bundes­weite Aktions­bündnis Teilhabe­forschung vor als eine Initiative, die sich für die Profilierung der Teilhabe­forschung einsetzt. Mit der Bedeutung der Teilhabe­forschung für die Reha­bili­tations­forschung setzen sich Thorsten Meyer-Feil, Anke Menzel-Begemann und Marco Streibelt auseinander.

Markus Schäfers
Gudrun Wansing
(Gasteditor*innen dieser Ausgabe)

 

I N H A L T

Sozialpolitik und Rehabilitation

Teilhabeforschung: menschenrechtsbasiert und partizipativ

Rechtsprechung

Rechtsprechungsübersicht

Aus Forschung und Praxis

Das Gefühl gesellschaftlicher Zugehörigkeit: Menschen mit und ohne Behinde­rungen im Vergleich

Psychisch wesentlich beeinträchtigt – immer noch kein gutes Leben?!

Teilhabe am Arbeitsleben: Relevanz der Teilhabe­befra­gung für die arbeits­markt­liche Teilhabe­bericht­erstattung

Projekt „Teilhabeforschung: Inklusion wirksam gestalten“

Aktionsbündnis Teilhabeforschung – neue Forschungs­perspek­tiven zu Lebens­lagen und Partizi­pation von Menschen mit Behin­derungen

Bedeutung der Teilhabeforschung für die Rehabili­tations­forschung


Infothek

Aktuelles aus der Praxis der Rehabilitation

Aus dem Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht

Veranstaltungen/Webinare

Neuerscheinungen und Literaturempfehlungen


 

RP Reha | Ausgabe 4/2023
60 Seiten
ISSN 2366-7877
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