Norman Hölzel
Kronzeugenregelungen im Europäischen Wettbewerbsrecht
Infolge der Reform des Europäischen Wettbewerbsrechts durch die VO 1/2003 sehen sich die Kronzeugenprogramme mit zahlreichen Neuerungen konfrontiert. Maßgebliche Änderungen ergeben sich unter anderem durch die enge Zusammenarbeit im Europäischen Wettbewerbsnetz sowie durch die avisierte Erweiterung privater Klagemöglichkeiten zur Verbesserung und Unterstützung der Kartellrechtsdurchsetzung.
Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, inwieweit sich hieraus Hemmnisse für die Zusammenarbeit von Kronzeugen und Wettbewerbsbehörden ergeben, die eine Aufdeckung von Hardcore-Kartellen erschweren oder unmöglich machen.
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass zunächst eine weitreichende Reform hin zu einem echten One-Stop-Shop für Kronzeugenanträge notwendig ist. Hierfür bedarf es einer unionsweiten Vollharmonisierung der Kronzeugenprogramme. Zudem muss das Europäische Wettbewerbsnetz gleichsam als zentrale Anlaufstelle ausgestaltet werden. Konsequenterweise ist die vollständige unionsweite Anerkennung der Bußgeldentscheidungen der Wettbewerbsbehörden vorzusehen.
Erforderlich ist weiterhin eine angemessene Ausgestaltung der privaten Kartellrechtsdurchsetzung, die einen Ausgleich zwischen dem Schutz des Kronzeugen und den Interessen privater Kläger findet. Aus Sicht einer effektiven Anwendung der Kronzeugenregelungen sind einzig eine Bindungswirkung behördlicher Entscheidungen und eine Sammelklagemöglichkeit vertretbar. Eine weitergehende Kenntnisnahme der detaillierten Kronzeugeninformationen oder ein über die bloße Kompensation hinausgehender Schadensersatz muss hingegen verhindert werden. Das Risiko der zivilrechtlichen Erstinanspruchnahme des Kronzeugen ist schließlich durch eine Beschränkung der gesamtschuldnerischen Haftung zu vermindern.
Schriften zum Transnationalen Wirtschaftsrecht | Band 16
1. Auflage 2011
broschierte Ausgabe, 394 Seiten
ISBN 978-3-86977-029-1
— vergriffen —