Rainer Stuhrmann | Der Traum in der altindischen Literatur im Vergleich mit altiranischen, hethitischen und griechischen Vorstellungen
Rainer Stuhrmann | Der Traum in der altindischen Literatur im Vergleich mit altiranischen, hethitischen und griechischen Vorstellungen

Rainer Stuhrmann

Der Traum in der altindischen Literatur im Vergleich mit altiranischen, hethitischen und griechischen Vorstellungen

Wenn in den ältesten indischen und griechischen Quellen vor allem nahe Ange­hörige in den Träumen auf­tauchen und wir dort von Beischlaf-, Verfol­gungs- oder Läh­mungs­träumen lesen, wird klar, daß sich die Traum­erfah­rung als solche nicht grund­legend von unserer unter­scheidet, sondern in noch ent­fern­tere Zeiten zurück­weist, als die Homi­niden noch bei­spiels­weise die Erfah­rung als Beute­tier gemacht haben. Sieht man einmal von den kul­turell- und um­welt­bedingten Traum­elementen ab – Griechen träumen kaum von Ele­fanten, Inder nicht von Satyrn, beide nicht von Autos –, unter­schei­den sich die Traum­erfah­rungen weniger durch die Traum­inhalte als vielmehr in ihrer Deutung: einmal im weitesten Sinne als Versuch, die Traum­erfah­rung mit dem Wach­bewuß­tsein zu ver­ein­baren, und dann im engeren, man­tischen Sinne als der Versuch, aus bestim­mten Träumen etwas Zukünf­tiges abzu­lesen. Das Inte­resse an der Bedeu­tung der eigenen Träume war im Alter­tum auf jeden Fall groß, wie die popu­lären Traum­bücher und die Existenz profes­sio­neller Traum­deuter zeigen, ein Stand, der in der Neu­zeit erst unter psycho­analy­tischen Vor­zeichen wieder­geboren wurde. Heute wie damals dürfte das Inte­resse an den Träumen weniger auf eine empirisch akzeptable Treffer­quote der Traum­deuter als viel­mehr auf ein tief­ver­wur­zeltes Gefühl zurück­zuführen sein, daß der Traum ein eigens für den Träumer aufge­führtes Stück ist: tua res agitur.

Die Arbeit versucht, die Wurzeln der Traum­deu­tung frei­zu­legen und ihre Entwick­lung von den ältesten indo­europä­ischen Quellen, beginnend ab etwa 1800 v. Chr. mit dem Rig-Veda, durch die verschie­denen Quellen­gruppen bis etwa zur Mitte des ersten vorchrist­lichen Jahr­tausends nachzu­zeichnen. Dabei werden auch charakte­ristische Verbin­dungs­linien zu späteren Traum­texten und Traum­büchern aufgezeigt. Den Abschluß bildet die philoso­phische und psycho­logische Deutung des Traums in den älteren Upaniṣaden, wo der Traum als Reinkar­nation en miniature betrachtet und zum Aus­gangs­punkt des Illusio­nismus wird.


Leseprobe

Studia Indologica Universitatis Halensis | Band 18
1. Auflage 2021
gebunden, 278 Seiten
ISBN 978-3-86977-248-6

78,00 €

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